Systems of Systems: Wie vernetzte Systeme Industrie 4.0 prägen werden.
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Systems of Systems: Wie vernetzte Systeme Industrie 4.0 prägen werden.
Stellen Sie sich ein mittelständisches Unternehmen mit 150 Mitarbeitenden vor, das – sagen wir – individuelle Markisen für Endkunden herstellt. Fast jedes Produkt ist maßgeschneidert, von der Größe über das Gestell bis zum Stoffdesign. Die Herausforderungen: Immer kürzere Lieferzeiten, eine höhere Variantenvielfalt und steigende Kundenansprüche machen den Markt zunehmend anspruchsvoller. Deshalb sind heute immer öfter […]
Stellen Sie sich ein mittelständisches Unternehmen mit 150 Mitarbeitenden vor, das – sagen wir – individuelle Markisen für Endkunden herstellt. Fast jedes Produkt ist maßgeschneidert, von der Größe über das Gestell bis zum Stoffdesign. Die Herausforderungen: Immer kürzere Lieferzeiten, eine höhere Variantenvielfalt und steigende Kundenansprüche machen den Markt zunehmend anspruchsvoller. Deshalb sind heute immer öfter smarte Steuerungssysteme gefragt. Im Betrieb arbeiten unterschiedliche Systeme parallel nebeneinander, zum Beispiel CAD, CAM, PDM und MES.
Die Geschäftsführerin stellt sich die Frage: Wie können diese verschiedenen Systeme effektiv zusammenarbeiten? Wie können sie zu einem integrierten Gesamtsystem verknüpft werden, damit die Durchlaufzeiten kürzer werden, weniger Fehler auftreten und Datensilos der Vergangenheit angehören? Also kurz: Wie schafft mein Unternehmen den Sprung in die viel beschworene Industrie 4.0? Und welche Rolle spielen dabei Systems of Systems?
Systems of Systems und Industrie 4.0
Beide Konzepte, Industrie 4.0 und Systems of Systems, hängen eng miteinander zusammen. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille, wenn es um die digitale Transformation der industriellen Produktion geht. Denn bei der Industrie 4.0 geht es darum, viele spezialisierte Subsysteme intelligent zu vernetzen, sodass sie gemeinsam höhere Ziele erreichen. In unserem Beispiel würden die verschiedenen Systeme des Markisenherstellers also intelligent zusammenarbeiten, obwohl sie unterschiedliche Software nutzen, weiterhin eine gewisse Autonomie behalten und auch eigenständig gewartet werden können. Insgesamt, unter der Kuppel des Systems of Systems, arbeiten sie in Summe effizienter, als jedes einzelne für sich es könnte. Um mit Aristoteles zu sprechen: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Systems of Systems (SoS) bieten ein enormes Potenzial. Und wir sind sicher, dass sie zu den treibenden Faktoren auf dem Weg zu Industrie 4.0 und smarter Produktionstechnik gehören. Das schauen wir uns im Folgenden etwas genauer an.
Was ist ein System of Systems?
Ein System of Systems (SoS) ist ein System, das aus einer Anzahl interagierender, unabhängiger Systeme besteht. Diese einzelnen Systeme arbeiten zusammen, um eine größere, übergeordnete Funktion zu erfüllen, die keine Systemkomponente allein leisten könnte. Jede Komponente innerhalb des SoS hat ihren eigenen Zweck und eigene Aufgaben und kann unabhängig agieren. Die Einzelkomponenten wurden ursprünglich nicht unbedingt dafür entwickelt, miteinander zu arbeiten: Sie können von unterschiedlichen Herstellern stammen oder mit unterschiedlicher Technologie betrieben werden. Die Teilsysteme bleiben auch im System of System autonom: Jedes von ihnen kann unabhängig betrieben, gewartet und weiterentwickelt werden.
Aber: Die Subsysteme tauschen Informationen wie Daten, Steuerbefehle oder Statusmeldungen aus, sie interagieren und koordinieren sich, um die übergeordnete Aufgabe zu erfüllen. Dies geschieht über definierte Schnittstellen (Interfaces). Durch die Zusammenarbeit der einzelnen Systeme entstehen neue Fähigkeiten, die keine einzelne Komponente allein bieten kann. Darüber hinaus bleibt ein System of Systems dabei evolutionär und offen. Das heißt, es können jederzeit neue Systeme integriert oder bestehende ersetzt werden.
Systems of Systems können in vielen Anwendungsfällen zum Einsatz kommen. Beispiele sind Verkehrsleitsysteme, wo sie eine Kombination aus Ampeln, Navigationssystemen, Verkehrsüberwachung und Fahrzeugen bilden. Sie kommen auch in Smart Cities oder militärischen Systemen zum Einsatz. Aber auch in der Industrie werden sie eine immer größere Rolle spielen – hier sind sie aber noch weitgehend Zukunftsmusik, wie wir im folgenden Abschnitt sehen werden.
Was wir heute schon prognostizieren können: In einer zunehmend vernetzten Welt ist es entscheidend, dass Systeme interoperabel sind und dynamisch zusammenarbeiten. SoS-Konzepte helfen dabei, komplexe Infrastrukturen zu modellieren und zu steuern. Damit werden sie ein unerlässlicher Bestandteil für eine erfolgreiche Industrie 4.0 sein.
Wird SoS heute schon umgesetzt?
SoS sind eine Grundvoraussetzung für die von Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung geprägte Industrie 4.0. Aber wird Industrie 4.0 tatsächlich schon umgesetzt?
Eine Studie von BearingPoint und der Hochschule München hat ergeben, dass kein einziges der mehr als 100 befragten Unternehmen in Deutschland Industrie 4.0 vollständig implementiert hat. Obwohl 96 Prozent der Befragten die Bedeutung von Industrie 4.0 anerkennen, stehen viele Unternehmen noch am Anfang der Umsetzung. Mehr als 81 Prozent der Unternehmen planen, in den kommenden Jahren in Industrie 4.0 zu investieren.1 Das Konzept der Industrie 4.0, das mit Systems-of-Systems aufs Engste verknüpft ist, ist für viele Unternehmen also enorm wichtig.
Die Befragung zeigt aber auch: Die meisten Unternehmen stehen auch nach zehn Jahren, in denen man von Industrie 4.0 spricht, noch immer am Anfang dieser Entwicklung. Dies deckt sich mit einer Untersuchung von Ernst & Young, die zeigt, dass lediglich fünf Prozent der mittelständischen Industrieunternehmen in Deutschland weitgehend oder vollständig digital vernetzt sind.2 Dies macht deutlich: Die Industrie realisiert umfassende System-of-System-Ansätze bisher nur selten. Für viele ist SoS noch ein Zukunftsthema. Es lohnt sich allerdings, sich bereits heute damit zu beschäftigen und sich die Frage zu stellen, wie sich die Interoperabilität und Integrität von bestehenden Systemen auf ein neues Level heben lassen können.
Wie ernst das Thema SoS neben der Wirtschaft auch von der Politik genommen wird, zeigt auch das Forschungsprojekt „DynaSoS“, mit dem das Bundesministerium für Forschung das Fraunhofer IESE beauftragt hat. Die Expert:innen kommen im Hinblick auf SoS im Smart Manufacturing zum Schluss, dass die Vision neue Optimierungspotenziale, etwa einen geringeren Energieverbrauch, bereithält. Außerdem können mit SoS resilientere und effizientere Produktionssysteme etabliert werden.3 Wir sehen: Forschung und Entwicklung beschäftigen sich eingehend mit Systems of Systems und dem daraus erwachsenen Potenzial für die Industrie 4.0.
Wie SoS das PLM der Zukunft prägen kann.
Gerade auch das Product Lifecycle Management wird sich in Zukunft wohl immer häufiger als Teil des Systems of Systems definieren. Wenn wir beim Beispiel des Markisenherstellers bleiben: Dort arbeiten, wie bei den meisten Unternehmen, viele spezialisierte Prozesse gleichzeitig und parallel nebeneinander, beispielsweise Entwicklung, Produktion, Service und Wartung. Mit einem SoS-Ansatz kann das Unternehmen diese Prozesse zentral koordinieren, indem unabhängige Subsysteme wie CAD-Software, ERP-Systeme, Supply Chain Management und weitere IT-Systeme integriert werden.
All diese Systeme sind lose miteinander gekoppelt, sodass sie interoperabel zusammenarbeiten, ohne dabei ihre Eigenständigkeit zu verlieren. Und mit einem SoS lässt sich ein durchgängiger Datenfluss über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg sicherstellen – von der Idee über Design, Fertigung, Vertrieb, Betrieb bis hin zum Recycling.
Durch das SoS werden Datensilos vermieden: Dank der Kombination von Daten aus verschiedenen Quellen entsteht ein ganzheitlicher Blick auf Produkte, Prozesse und Kundenbedürfnisse. Gerade im PLM ist der Zugriff auf konsistente und aktuelle Daten über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts essenziell.
Es gibt bereits reale Anwendungen und Architekturen, die dem SoS-Prinzip im PLM folgen. Dazu gehört die 3DEXPERIENCE Plattform von Dassault Systèmes: Sie integriert verschiedene Systeme und Dienste über Schnittstellen, Microservices und Datenmodelle. Digitale Zwillinge, ein konsistentes Produktdatenmanagement sowie die Möglichkeit interdisziplinärer Zusammenarbeit lassen sich mit der Plattform erstellen. Dadurch ist es möglich nachzuvollziehen, wie sich Änderungen in einem Subsystem auf das Gesamtsystem auswirken: ein essenzielles Merkmal eines Systems of Systems.
Wie könnten digitale Zwillinge mit Systems of Systems zusammenhängen?
Digitale Zwillinge und Systems of Systems (SoS) sind zwei Konzepte, die sich in Zukunft stark ergänzen und in komplexen technischen Systemlandschaften oft gemeinsam eingesetzt werden können. Ein digitaler Zwilling ist ein virtuelles Abbild eines physischen Systems, Prozesses oder Produkts. Dies kann nicht nur ein einzelnes Werkstück, sondern beispielsweise eine komplette Produktionsanlage sein, die sowohl physisch als auch digital existiert. Der digitale Zwilling ermöglicht es, Prozesse zu simulieren, zu überwachen und zu optimieren – und das in Echtzeit.
Lassen Sie uns ein wenig in die Zukunft schauen. Stellen Sie sich vor, dass innerhalb eines SoS jedes Teilsystem einen eigenen digitalen Zwilling besitzt. Diese digitalen Zwillinge liefern Daten, Statusinformationen und Simulationen, die auf höherer Ebene im SoS zusammengeführt werden. So entsteht eine Übersicht über das Gesamtsystem, das dadurch leichter geplant, koordiniert und optimiert werden kann.
Und noch ein Stück weiter gedacht: Auf höherer Ebene könnte es außerdem einen digitalen Zwilling für das Gesamte System of Systems geben. Dieser repräsentiert also mehrere angeschlossene Teilsysteme in einem. Mit Hilfe eines solchen digitalen Zwillings des SoS ließen sich Interaktionen testen, systemische Schwachstellen aufspüren und systemübergreifende Prozesse optimieren.
Digitale Zwillinge können in Zukunft also zum einen wichtige Bausteine innerhalb eines SoS sein. Sie können aber zum anderen ebenso ein virtuelles Abbild des SoS selbst darstellen. In komplexen, vernetzten Systemlandschaften werden digitale Zwillinge künftig unverzichtbar sein, um die Interaktion autonomer Teilsysteme zu verstehen, zu steuern und zu verbessern.
Fazit: SoS ist maßgeblich für Produktionsprozesse der Zukunft.
Kommen wir noch einmal auf das Beispiel des mittelständischen Markisenherstellers zurück. Wie könnten die Produktionsprozesse dank Industrie 4.0 und Systems of Systems aussehen?
Wir müssen uns ein digital vernetztes Unternehmen vorstellen, in dem sämtliche Subsysteme – von der Konstruktion über die Fertigung bis hin zum Kundenservice – als Teile eines übergreifenden System of Systems agieren. In diesem Zukunftsszenario kommuniziert das CAD-System in Echtzeit mit dem ERP, und das Fertigungsleitsystem (MES) synchronisiert automatisch Materialfluss und Maschinenauslastung. Ein intelligenter digitaler Zwilling simuliert und überwacht den gesamten Produktionsprozess und macht bei Abweichungen Optimierungsvorschläge.
Dank der Interoperabilität und Flexibilität eines SoS kann das Unternehmen noch individueller auf Kundenwünsche eingehen, die Lieferzeiten weiter verkürzen und gleichzeitig Ausschuss und Ressourcenverbrauch minimieren. Die vormals isolierten Systeme arbeiten nicht nur nebeneinander, sondern kooperieren dynamisch über standardisierte Schnittstellen – ohne ihre Eigenständigkeit zu verlieren. Potenzielle Engpässe im Materialfluss könnten durch KI-gestützte Vorhersagen vermieden, Produktanpassungen in letzter Minute noch berücksichtigt und Servicefälle durch smarte Feedbacksysteme automatisiert bearbeitet werden.
Die Geschäftsführerin ist den richtigen Schritt gegangen: Aus ihrem mittelständischen Fertigungsbetrieb hat sie ein agiles, digitales Ökosystem gemacht – resilient, effizient und zukunftsstark. Sie hat erkannt: Das SoS-Prinzip ist ein strategischer Schlüssel zur Industrie 4.0.
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